Bön ist eine der ältesten spirituellen Traditionen der Welt. Sein Gründer ist Tonpa Shenrap Miwoche, ein erleuchtetes Wesen, das die Geburt in dieser Welt gewählt hat, um die fühlenden Wesen aus dem Leiden und in Richtung Befreiung zu führen. Weil sich die Lehren von Bön mit der Natur der Realität, der Verbundenheit aller Lebewesen untereinander und mit ihrer Umwelt und der Entdeckung unserer eigenen angeborenen Buddhaschaft befassen, hat sie über Jahrtausende Bestand und sogar gediehen.

Bön erkennt viele erleuchtete Wesen - Buddhas, Dakinis und Khandros, die Praktizierende unterstützen, die Lehren schützen und ihren Segen und Realisation mit uns teilen. Zu den wichtigsten von ihnen, in unserer Tradition sind:

Kuntu Zangpo

Kuntu Zangpo (Skt. Samantabhadra) und seine Gemahlin Kuntu Zangma sind die verkörperte Darstellung des ursprünglichen oder dharmakaya Buddha. Von ihnen hat sich Tonpa Shenrap als Emanation zum Wohle aller fühlenden Wesen dieser Welt manifestiert. Ihre Namen bedeuten "Ewige Alle Güte". Kuntu Zangpo ist himmelblau, nackt und ohne Ornamente, was den innersten Aspekt, den ursprünglichen Zustand, bezeichnet. Ausgestattet mit der doppelten Weisheit der Leere und geschickter Mittel, führt uns sein großes Mitgefühl für alle fühlenden Wesen zur Erkenntnis, dass unser eigener Verstand leer und ohne Wurzeln ist.

Tönpa Shenrap Miwoche

Tönpa Shenrap (der Höchste Lehrer), auch bekannt als Shenrap Miwo, ist der Begründer der Bön-Tradition. Gleichmütig in seiner Erscheinung wird er von den 13 Ornamenten einer friedvollen Gottheit geschmückt. Seine rechte Hand ist über sein Knie gestreckt und hält den yungdrung (yung – unveränderlung, drung – unaufhörlich), der die ewige Wahrheit repräsentiert. Seine linke Hand liegt in seinem Schoß, mit nach oben gekehrter Handfläche, im Meditationsgestus. Er sitzt in Meditationshaltung auf Sonnen- und Mondscheibe auf einem Lotusthron.

Der Geschichte des Bön zufolge wurde Tönpa Shenrap vor ca. 18.000 Jahren in eine adlige Familie im alten Königreich von Tazik, westlich von Tibet geboren. Nachdem er zum König wurde, verbreitete er die Lehren des Bön, indem er durch das Land reise und diverse Rituale vollführte. Einst, während er reiste, wurden seine Pferde vom Prinz der Dämonen gestohlen. Während er die Pferde zurückholte betrat er das Königreich von Zhang Zhung in Westtibet. Dort verbreitete Tönpa Shenrab die ersten Bön-Belehrungen in dieser Region. Seine zahlreichen Frauen und Kinder spielten ebenso bedeutsame Rollen in der Geschichte des Bön. Die schriftliche Biographie Tönpa Shenrabs besteht aus 15 umfassenden Bänden.

Shenla Ökar und die Buddhas der Sechs Bereiche

Shenla Ökar (Shen-Gottheit des Weißen Lichts) hat ein Gesicht und zwei Arme. Seine Hände liegen in Meditationshaltung in seinem Schoß. Er ist leuchtend weiß in seiner Farbe und wird von den 13 wunderbaren Ornamenten einer friedvollen Gottheit geschmückt: eine Krone, Ohrringe, drei Halsketten (kurz, mittel und lang), Armreifen, Fußreifen, Armbänder, ein Tuch, ein Rock, ein Thron, eine goldene Verzierung hinter dem Thron, sowie ein Heiligenschein. Auf einem Schneelöwenthron auf Sonnen- und Mondscheiben, verweilt er in einem reinen Land. Praktizierende, die der A-Tri-Linie folgen, visualisieren ihren Wurzellama in Gestalt von Shenla Ökar. Er ist auch bekannt als Lhachik (Großer Gott) und er erscheint im Zentrum des Zufluchtsbaumes (Tsok Shing). Wie in diesem Thangka dargestellt, manifestiert sich Shenla Ökar zum Wohle der Wesen als die Sechs Bezwingenden Shen oder Sechs führende Buddhas, deren Funktion es ist alle leidenden Wesen der sechs Bereiche zur ultimativen Befreiung zu führen.

Sherap Chamma

Sherap Chamma, die Weisheit liebende Mutter, gelb in ihrer Farbe und von jugendlicher Erscheinung, reich geschmückt von den 13 Ornamenten einer friedvollen Gottheit. Sie sitzt auf Sonnen- und Mondscheiben auf einem Lotusthron. In der rechten Hand hält sie auf der Höhe des Herzens eine mit dem Nektar des Mitgefühls gefüllte Vase. Ihre linke Hand hält den Stiel eines Lotus dessen Blüte den Spiegel der Weisheit trägt, der alle vergänglichen Phänomene als leer an ursprünglicher, inhärenter Existenz enthüllt. Sherap Chamma, auch bekannt als Gyalyum (Mutter aller Eroberer), ist eine wichtige Emanation von Satrik Ersang aus der Gruppe der vier Transzendenten. Sheraps Chammas mannigfaltige Manifestationen enthalten auch die zornvolle Beschützerin Sipé Gyalmo (Königin der Existenz) und Yeshé Walmo (Magische Weisheitsgöttin).

Sidpe Gyalmo

Sidpe Gyalmo, Königin der Welt und Mutter des Raums, ist die wichtigste der wütenden Beschützer des Yungdrung Bön. Durch sie manifestiert sich die liebende Güte von Sherab Jamma in zorniger Form, um das Böse (und unsere eigenen Leiden oder Negativitäten) abzuwehren und ihre Anhänger zu schützen und zu heilen. Sipe Gyalmo ist dunkelblau mit drei Gesichtern: das rechte Gesicht ist weiß, das linke Gesicht ist rot und das mittlere Gesicht ist dunkelblau. Sie reitet auf einem Maultier und hat sechs Arme, die ein Siegesbanner, ein Schwert aus Meteoriteneisen, einen Phurba (Ritualdolch), einen Spiegel, einen Haken und einen Kapala (Totenkopf) halten. Sie ist mit Schädeln geschmückt, trägt Tiger- und Bärenhaut und ihre Satteldecke ist eine frisch geschälte menschliche Haut. Ihre Grausamkeit und ihr schrecklich inspirierendes Aussehen zeigen, dass sie das Ego und die Unwissenheit der Praktizierenden durchschneidet und vor allem Schaden schützen kann.

Yeshe Walmo

Yeshe Walmo, ist der Weisheitsaspekt von Sidpe Gyalmo und die halbzornige Form von Sherab Chamma. Historisch gesehen, wenn Bön-Praktizierende von Verfolgung bedroht waren, wurden die heiligen Bön-Texte und Ritualgegenstände an geheimen Orten versteckt: in Bergen, Höhlen, unter Felsen, etc. Yeshe Walmo ist die Gottheit, die dafür verantwortlich ist, diese versteckten Texte und heiligen Gegenstände sicher aufzubewahren. Sie ist die Bewahrerin und Hüterin der Bön-Weisheit. Yeshe Walmo ist in der gleichen Farbe wie Sidpe Gyalmo, hat aber nur ein Gesicht und zwei Arme. Sie steht auf einem Bein, in einer tanzenden Geste oder Mudra. Sie ist mit Pfauenfedern geschmückt, die die Umwandlung von Gift (Unwissenheit) in Weisheit symbolisieren, und sie trägt eine Girlande von abgetrennten Köpfen, die ihre Kraft zeigt, durch unseren Egoismus und unsere Unwissenheit zu brechen. In ihrer rechten Hand hält sie ein flammendes Schwert aus Meteoriteneisen, und in ihrer linken hält sie eine mit dem Nektar gefüllte Vase, die die Lebensdauer und Lebenskraft der Praktizierenden wiederherstellt. Sie trägt ein Tigerfell und ist von Flammen umgeben, die unsere Unwissenheit zu Asche verbrennen.

Khandros  der Fünf Elemente

Die natürlichen Elemente spielen eine fundamentale Rolle in vielen alten Heilungsmethoden und spirituellen Traditionen. Die tibetischen Traditionen benennen fünf Elemente: Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Diese fünf werden als die grundlegenden Energien verstanden, aus denen alle Erfahrung – die physische Welt, unsere Körper, unsere Emotionen und unser Geist – erwächst. Jedes Element wird mit einer Khandro (Skt. Dakini) oder einer Göttin in Verbindung gebracht. Die Khandros repräsentieren den reinen, erleuchteten Aspekt des Elements. Das Bild hier zeigt Khandros einer Praxis, die „Rückholung der Elemente“ genannt wird und aus der Bön-

buddhistischen Tradition Tibets stammt. Die zentrale Figur ist die weiße Khandro des Raumes, die große Mutter aus der all die anderen Elemente erwachsen. In ihrer rechten Hand hält sie Ornamente und Juwelen und in ihrer Linken hält sie eine Schädelschale gefüllt mit dem Nektar der Essenz. Die Khandros der Luft (grün), Feuer (rot), Wasser (Blau) und Erde (gelb) umgeben die zentrale Figur. Sich mit der Khandro des Raumes zu verbinden, bedeutet sich mit der Qualität der Weite zu verbinden; die Khandro der Luft bedeutet Flexibilität; die Khandro des Feuers steht für Freude und Kreativität; die Khandro des Wassers bringt Ruhe und Geborgenheit und die Khandro der Erde verleiht Stabilität und Erdung.  

Drenpa Namkha

Drenpa Namkha ist die bedeutendste Langlebensgottheit der Bön-Tradition. Es wird gesagt, er habe die Macht jedes Hindernis zu überwinden, sei es persönlich oder gemeinschaftlich. Drenpa Namkha wurde im achten Jahrhundert im Südwesten Tibets, nahe dem heiligen Berg Kailash, geboren. Er ist bekannt als Vater von Tsewang Rigdzin und dem verehrten indischen Adepten Padmasambhava. Drenpa Namkha ist in leuchtend blauer Farbe, mit einem Gesicht und zwei Armen,  reich gekleidet mit einer Krone, Juwelen und Lendentuch dargestellt. In seiner rechten Hand hält er ein yungdrung (Skt. Swastika), um die Unzerstörbarkeit und die unveränderliche Natur der Bön-Belehrungen anzuzeigen. In seiner linken Hand hält er eine Schädelschale. Er besitzt sowohl friedvolle als auch zornvolle Energien, was durch sein leicht ausgestrecktes rechtes Bein und sein näher an den Körper gezogenes linkes Bein dargestellt wird.

Tapihritsa

Tapihritsa war ein gewöhnlicher Mensch aus einer nomadischen Familie, die im 7. Jahrhundert im Land von Zhang Zhung lebte. Sein Hauptlehrer war Dawa Gyaltsen. Tapihritsa praktizierte neun Jahre lang intensiv, erlangte Erleuchtung und erreichte einen Lichtkörper, den Regenbogenkörper. Das Erreichen des Regenbogenkörpers bedeutet, dass der physische Körper aus dem Blickfeld verschwindet und keine Spuren hinterlässt. Es wird angenommen, dass Praktizierende der großen Vollkommenheit, Dzogchen, den Regenbogenkörper in einem einzigen Leben der Praxis oder im Moment des Todes erreichen können. Als Ergebnis von Tapihritsas wunderbarer Lehre erreichten bis zu fünfundzwanzig Schüler die Vollendung des Regenbogens.

Gyerpung Nangzer Lopo war Tapihritsas erster Schüler, nachdem er den Regenbogenkörper erreicht hatte.

Gyerpung Nangzher Lopo

Gyerpung Nangzher Lopo gehörte zur ruhmreichen Gurib Familie von Zhang Zhung, einem Clan der mehrere vorherige Bön-Linienhalter aufweisen konnte. Er erhielt Unterweisungen vom verehrten Meister Dawa Gyaltsen und wurde zu einem angesehensten Gelehrten und Praktizierenden des achten Jahrhunderts. Durch die Praxis des Yidam Meri erlangte er große Kraft und wurde ein königlicher Priester König Ligminchas von Zhang Zhung. Nangzher Lopo war der erste, der das Zhang Zhung Nyen Gyü (mündliche Übertragung des Zhang Zhung), eine der meistverehrten Serien von Bön Dzogchen-Belehrungen, die er selbst von seinem Meister Tapihritsa erhalten hatte, verschriftliche. Nangzher Lopo entwickelte Stolz ob seiner großen Macht und seines Ruhmes. Um ihm zu helfen seinen Stolz zu überwinden, erschient ihm Tapihritsa, der den Regenbogenkörper erlangt hatte, in der Form eines kleinen Jungen. Die esoterische Diskussion und Debatte, die sich zwischen Nangzher Lopo und dem kleinen Jungen ergab, ließ den großen Meister demütig werden und erlöste ihn von seiner subtilen Verdunklung.

Dieses Thangka illustriert den Moment, als Nangzher Lopo die höchste Erkenntnis erlangt und spontan ein andächtiges Bittgebet an seinen mitfühlenden Meister Tapihritsa verfasst, der sich im Himmel über ihm als strahlender Buddha aus weißem Licht manifestierte.

König Ligmincha

König Ligmincha war der letzte Bön-Mongarch des historischen Landes Zhang Thung, der Wiege der tibetischen Zivilisation. Als König diente Ligmincha sowohl als spiritueller als auch weltlicher Herrscher seines Landes. In der Sprache Zhang Zhungs bedeutet ligmi (lig mi) „Existenz“ und cha (rkya) bedeutet „Gebieter“.  Als Geshe Tenzin Wangyal Rinpoche das Ligmincha Institut 1992 gründete, benannte er es nach König Ligmincha um das Ziel des Instituts die Qualitäten, Werte und spirituelle Tiefe der alten Bön-Belehrungen für zukünftige Generationen zu bewahren, widerzuspiegeln. Bis ins siebte Jahrhundert war Zhang Zhung ein eigener Staat, der den gesamten Westen Tibets um den Berg Kailash und den Manasarovar See um fasste: eine Dynastie von Königen herrschte bis ins achte Jahrhundert über ihr Volk, bis Zhang Zhung nach der Ermordung König Ligminchas (oder Ligmirya) durch König Trisong Detsen von Tibet.